Der heutige Artikel beschäftigt sich mit dem politischen Symbol der Sozialdemokratie, den drei Pfeilen. Die im Bild weiter unten gezeigten Pfeile lassen sich leider nicht eindeutig einem bestimmten Jahr zuordnen. Da das Symbol aber seit den 1950er Jahren zunehmend an Strahlkraft verlor und an der Fassade noch einige andere Graffiti aus der Besatzungszeit zu entdecken sind, stelle ich die kühne These auf, dass es aus diesem Zeitraum stammen könnte.
Als zu Beginn der 1930er Jahre der Nationalsozialismus immer mehr erstarkte und das Hakenkreuz zu einem allgegenwärtigen Symbol wurde, machten sich die Sozialdemokraten Gedanken darüber, wie sie die rattenfängerische Wirkkraft der Swastika brechen könnten. In Sergei Tschachotin, einem russischen Biologen und Psychologen, reifte daraufhin eine Idee, die einerseits darauf abzielte, auf symbolischer Ebene das Hakenkreuz zu bekämpfen und andererseits der Propaganda des Nationalsozialismus ein kraftvolles Gegengewicht gegenüberzustellen.
„Die neue Propaganda ist nichts anderes als die Anwendung der Kenntnisse der modernen Massenpsychologie und der wissenschaftlichen Organisation der Arbeit auf den politischen Kampf der Arbeiterbewegung […] Eine erfolgreiche Propaganda darf nicht auf Zufall beruhen und sich als Ziel die Beeinflussung nur dieses oder jenes Triebes setzen, sondern sie muss danach trachten, alle wesentlichen Triebe der menschlichen Seele in gewollte Schwingungen zu versetzen: nur die Totalität der Erfassung aller Triebe gewährleistet den Erfolg.“1
Um sowohl Symbol als auch Propaganda zu vereinen, entwarf er 1932 gemeinsam mit dem deutschen Sozialdemokraten Carlo Mierendorff ein einfaches Logo, das von jedem nachgezeichnet werden konnte und gut dazu geeignet war, die Botschaften der Sozialdemokratie zu transportieren – drei nach schräg links unten gerichtete parallele Pfeile. Jeder dieser Pfeile hatte ein eigenes Ziel: Einer sollte sich gegen den Kapitalismus wenden, einer gegen den Nationalsozialismus und einer gegen die Reaktion, also all jene Kräfte, die der Sozialrevolution gegenüberstanden.
Zu dieser ursprünglichen Bedeutung gesellten sich bald weitere, von denen zwei erwähnenswert sind:
- Die Pfeile richten sich gegen Kommunismus, Monarchie und Nationalsozialismus
- Die Pfeile stehen für die Säulen der Arbeiterbewegung Partei, Gewerkschaft und „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“
Im gleichen Jahr sprach Tschachotin im Propagandaausschuss der deutschen Sozialdemokraten über seine Ideen bezüglich des massenpsychologischen Zusammenspiels von Symbol und Botschaft. Nachdem der Erfolg seiner Idee in drei Städten nachgewiesen wurde, vollendeten die drei Pfeile ihren Siegeszug in der Sozialdemokratie. Von diesem Moment an diente es als Kampfabzeichen gegen Kapitalismus, Nationalsozialismus und Reaktion.
„Ein neues Kampfabzeichen war geboren: die ‚Drei Pfeile‘. Bald flatterte das neue Kampfsymbol auf den Freiheitsfahnen der Eisernen Front, bald sah man die drei Pfeile das Hakenkreuz durchbohren. Eine Welle der Abwehrbereitschaft gegen den Faschismus brauste durch das Land.“2
Zuerst kam das Symbol in der „Eisernen Front“ zur Anwendung. Dabei handelte es sich um einen Zusammenschluss sozialdemokratischer Verbände wie etwa dem „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, einem Wehrverband zum Schutz der Demokratie, und sozialistischen Gewerkschafts- und Angestelltenbünden. Die „Eiserne Front“ richtete ihr Handeln gegen antidemokratische Parteien, vor allem die Nationalsozialisten.
Am 8. August 1932 schlug Otto Felix Kanitz das Drei-Pfeile-Symbol als politisches Symbol der österreichischen Sozialdemokratie vor, was vom Parteivorstand angenommen wurde. Zur Eröffnung des Parteitages vom 13. November 1932 wurde ein Gedicht von Karl Schneller vorgetragen, in dem er den drei Pfeilen seine kämpferische Seele einhauchte:
„Drei Pfeile. Was künden die drohenden Drei?
Wir wollen es schaffen: Die Menschheit sei frei!
So treffe des ersten gesammelte Kraft
den Kapitalismus, der aussaugt und rafft;
denn wird nicht der uralte Erzfeind gefällt,
bleibt uraltes Unrecht die Geißel der Welt.
Drei Pfeile. Was künden die drohenden Drei?
So schlage des zweiten geballte Gewalt
den Schädling Faszismus in jeder Gestalt,
den Götzen der über die Völker sich setzt,
im Innern sie knechtet, nach außen verhetzt.
Drei Pfeile. Was künden die drohenden Drei?
Wir wollen es schaffen: Die Menschheit sei frei!
So jage des dritten vernichtende Wucht
das finst´re Gespenst Reaktion in die Flucht;
wo immer es auftaucht, ein Hemmnis dem Licht,
dort halte der dritte der Pfeile Gericht.
Kapitalismus, Faszismus, Reaktion;
schlaget die drei und die Menschheit ist frei!“3
Seit die drei Pfeile als Logo der Sozialdemokratie bekannt und gleichzeitig als Kampfsymbol gegen die NS-Bewegung erkannt worden waren, tauchte es immer öfter an den Fassaden der Städte auf. Es eignete sich aufgrund seiner einfachen und eindeutigen Form hervorragend dazu, Hakenkreuze durchzustreichen und so entschlossenen Widerstand zu signalisieren.
„Die wirksamste Form der Straßenpropaganda ist der Symbolkrieg: man kann heute mit Sicherheit behaupten, dass die Drei-Pfeile-Kampagne der Eisernen Front schon im zweiten Hindenburg-Wahlkampf sehr viel zur Aktivierung der Massen beigetragen hat. Sie bezweckte, der Volksseele ein neues Bild des feindlichen Symbols einzuprägen, nämlich des abgelehnten, niedergeworfenen Hakenkreuzes, und ihr den entschlossenen Abwehrwillen der Arbeiterschaft kund zu tun. Sie wurde am einfachsten so durchgeführt, dass die überall hingemalten Hakenkreuze von drei Pfeilen mit Kreide durchgestrichen wurden. Dieses Symbol, das außerordentlich leicht reproduzierbar ist, sodass jedes Kind es zeichnen kann, erweist sich auch als unverwüstlich, denn die Gegner können ihr Symbol nicht über das unsere setzen, das Bild versteht auch ein jeder so, als ob das Hakenkreuz durch unsere Pfeile durchgestrichen wäre. Die in diesem Symbol enthaltene Erkenntnis des Dynamischen, der Angriffs-Idee und ihrer Gebundenheit an drei Forderungen an sich selbst für jeden Kämpfer, nämlich: Aktivität, Disziplin und Einigkeit, hatte wie ein Blitz ins Volksbewusstsein eingeschlagen und hat wahre Stürme der Begeisterung und von Aktivitätswillen ausgelöst.“4
In den Monaten nach der Einführung des Symbols ergab sich eine Diskussion, ob es denn nicht besser sei, die Pfeile nach oben zeigen zu lassen. Eduard Lindner, ein niederösterreichischer Landtagsabgeordneter, entgegnete am 2. Jänner 1933 in der Arbeiterzeitung darauf,
„dass unsere Drei Pfeile ein Kampfabzeichen gegen Kapitalismus, Faschismus und Reaktion sind und jeder klassenbewusste Arbeiter hoch über dem bürgerlichen Sumpf hinausragt. Nachdem wir das zum Ausdruck bringen wollen, richten wir die Pfeilspitzen nach unten, da unser Feind nur in den Niederungen der Menschheit zu suchen ist“.5
Doch nun dauerte es nicht mehr lange, bis am 12. Februar 1934 infolge der Februarkämpfe die Sozialdemokratische Arbeiterpartei verboten wurde und der österreichische Faschismus unter Engelbert Dollfuß sich ohne politisches Gegengewicht entfalten konnte. Das Drei-Pfeile-Symbol wurde nun das Kampfzeichen der Revolutionären Sozialisten im Widerstand gegen den austrofaschistischen Ständestaat und den darauf folgenden Nationalsozialismus in Österreich.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Symbol mit neuer Bedeutung und einem „Ring der Einheit“, der die drei Pfeile umschließt, zu neuem Leben erweckt. Die Pfeile standen nun für die politische Einheit der Arbeiterschaft, die sich aus Industrie-, Land- und geistigen Arbeitern zusammensetzte. Der Ring, der meist rot dargestellt wurde, vereinte die drei Arbeitergruppen zu einer geschlossenen Bewegung oder auch zu einer gemeinsamen Stoßrichtung.
„Wir sehen also, dass auch die Drei Pfeile bereits eine reiche Tradition aufweisen. Heute sind sie das Kampfabzeichen unserer Sozialdemokratischen Partei, der industriellen, landwirtschaftlichen und geistigen Arbeiter, die durch den roten Ring zur politischen Einheit der Partei zusammengeschlossen werden.“6
Bis in die 1950er Jahre war das Logo sehr beliebt, ehe es kontinuierlich an Bedeutung verlor. Betrachtet man die aktuelle Situation der allgegenwärtigen Verschwörungstheorien und Fake News aus dem rechten politischen Spektrum, die auf überraschend viele Menschen eine gewisse Faszination ausüben, so wünsche ich mir eine Bewegung herbei, die wieder mit starker Symbolkraft und politischem Durchsetzungsvermögen ein vernünftiges Gegengewicht bildet. Die drei Pfeile sind aufgrund ihrer Geschichte bestens dafür geeignet.
Möchtest Du Dich erkenntlich zeigen? Hier hast Du die Möglichkeit dazu.
Fußnoten:
1 Zitat aus Carlo Mierendorff, Sergei Tschachotin, Grundlagen und Formen politischer Propaganda (Magdeburg 1932): Herbert Exenberger, Zeichen, Symbole der Partei. In: Der Sozialdemokratische Kämpfer Nr. 3/4 1993, S. 6/7, zitiert nach: Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen, Unser Zeichen, online unter:
http://www.freiheitskaempfer.at/?page_id=98 (1. Oktober 2020)
2 Herbert Exenberger, Zeichen, Symbole der Partei. In: Der Sozialdemokratische Kämpfer Nr. 3/4 1993, S. 6/7, zitiert nach: Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen, Unser Zeichen, online unter:
http://www.freiheitskaempfer.at/?page_id=98 (1. Oktober 2020)
3 Gedicht von Karl Schneller, zitiert nach: Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen, Unser Zeichen, online unter:
http://www.freiheitskaempfer.at/?page_id=98 (1. Oktober 2020)
4 Carlo Mierendorff, Sergei Tschachotin, Grundlagen und Formen politischer Propaganda (Magdeburg 1932), zitiert nach: Peter Diem, Die drei Pfeile einst und jetzt, online unter:
https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Symbole/Drei_Pfeile (1. Oktober 2020)
5 Zitat von Eduard Lindner (Lintner): Herbert Exenberger, Zeichen, Symbole der Partei. In: Der Sozialdemokratische Kämpfer Nr. 3/4 1993, S. 6/7, zitiert nach: Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen, Unser Zeichen, online unter:
http://www.freiheitskaempfer.at/?page_id=98 (1. Oktober 2020)
6 Arbeiter-Zeitung vom 15. September 1945, zitiert nach: DasRoteWien.at, Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie, Sozialdemokratische Symbole, online unter:
http://www.dasrotewien.at/seite/symbole-sozialdemokratische (1. Oktober 2020)
Links und Literatur:
Alessandro Barberi, Die drei Pfeile, online unter:
https://rotbewegt.at/epoche/einst-jetzt/artikel/die-drei-pfeile (1. Oktober 2020)
Demokratie-Zentrum Wien, Drei Pfeile, online unter:
http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissenslexikon/drei-pfeile.html (1. Oktober 2020)
SPÖ-Logos, online unter:
https://rotbewegt.at/#/epoche/einst-jetzt/artikel/spo-logos (1. Oktober 2020)
Interne Links:
Mehr zu den Jahren von 1918 bis zum „Anschluss“:
1918 bis zum „Anschluss“
Mehr zum Jahr 1938 nach dem „Anschluss“:
1938 nach dem „Anschluss“
Mehr zu den Jahren von 1939 bis Kriegsende:
1939 bis Kriegsende
Mehr zu den Jahren der Besatzungszeit bis 1955:
Besatzungszeit bis 1955