Es war ein unerwarteter Anblick, der sich mir 2016 bot, als ich zu den Fundamenten einer Materialseilbahnstation in knapp 2400 Metern Seehöhe aufbrach, die seit Kriegsende ungenutzt ihr Dasein im rauen Klima der Berge fristete. Auf 2100 Metern ragte plötzlich eine rostige Schiene hochkant aus der dürren Grasnarbe. Ich hatte Glück – trotzdem das Schienenstück, das oberirdisch zwischen Gräsern und Hochlandblumen gen Himmel ragte, nur etwa eineinhalb Meter lang war, erkannte ich deutlich ein Walzzeichen: „Krupp 1938 K8C“, gefolgt vom Firmensymbol der Krupp-Werke, das drei ineinander greifende Radreifen zeigt, die frühen Räder der Eisenbahnen. Die Schiene war also 1938 von der Firma Krupp gefertigt worden.
Die Gussstahlfabrik, die 1811 von Friedrich Krupp gegründet worden war, produzierte seit 1864 auch Schienen, nachdem sie sich vor allem in der Maschinen- und Rüstungsindustrie durch die Herstellung von Artilleriegeschützen und Gewehren im Laufe der 1830er bis 1850er-Jahre einen Namen gemacht hatte.
Auch im Laufe des Zweiten Weltkrieges produzierten die Krupp-Werke einen großen Teil des deutschen Waffen- und Kriegsmaterials. Der Anteil an der Rüstungsindustrie war so hoch, dass sich für den Konzern der inoffizielle Beiname „Waffenschmiede des Deutschen Reichs“ etablierte. Aus dem Hause Krupp stammten Maschinen und Fahrzeuge aller Art, Achsen und Wellen, Lokomotiven, Waggons, Panzer, Geschütze, Gewehre, Bleche und Schienen.
Die hier gezeigte Schiene war ein Produkt der deutschen Kriegswirtschaft und fand wiederum in der Kriegswirtschaft Verwendung. In einem in der Nähe befindlichen Molybdänbergwerk wurden solche Schienen für die Grubenbahn verlegt. Molybdän wiederum benötigte man seitens der Wehrmacht respektive der für die Wehrmacht fertigenden Kriegswirtschaftsbetriebe dringend zur Veredelung von Stählen – es verbessert sowohl die Härte und Zugfestigkeitseigenschaften als auch die Widerstandsfähigkeit gegen Korrosion und Hitzeeinwirkung. Somit war dieses Erz nicht nur für die Härtung von Panzerstahl sehr gefragt, sondern auch essenziell für die Herstellung von Kanonenrohren, Motorenteilen oder den Bau von Schiffen mit meerwasserbeständigen Stahlplatten.
Der rüstungsindustrielle Bedarf an Molybdän hatte 1941 ein derart dringendes Ausmaß erreicht, dass man schon zu diesem Zeitpunkt den Ausbau des Bergwerks unter allen Umständen beschloss – auch des Risikos einer völligen Fehlinvestition waren sich die Entscheidungsträger im Reichswirtschaftsministerium bewusst.
Obwohl die Ertragsprognosen dieses Bergwerks von Anfang an gering waren und mit fortlaufenden Untersuchungen immer niedriger wurden, pumpte die deutsche Kriegswirtschaft zwischen 1941 und 1945 etwa sechs Millionen Reichsmark in das Projekt, das bis Kriegsende kein Gramm Molybdän lieferte.
Möchtest Du Dich erkenntlich zeigen? Hier hast Du die Möglichkeit dazu.
Quellen und Literatur:
Renate Köhne-Lindenlaub, „Krupp, Friedrich“. In: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 129 f., online unter:
https://www.deutsche-biographie.de/pnd118778129.html#ndbcontent
Renate Köhne-Lindenlaub, „Krupp, Alfred“. In: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 130-135, online unter:
https://www.deutsche-biographie.de/pnd118567241.html#ndbcontent
Renate Köhne-Lindenlaub, „Krupp von Bohlen und Halbach, Alfried“. In: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 143-145, online unter:
https://www.deutsche-biographie.de/pnd118724819.html#ndbcontent
Renate Köhne-Lindenlaub, „Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav“. In: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 138-143, online unter:
https://www.deutsche-biographie.de/pnd116574216.html#ndbcontent
Johannes Breit, Der Molybdänbergbau unter der Alpeiner Scharte 1941–1945 (Absam 2009)
Interner Link:
Mehr zu den Jahren von 1939 bis Kriegsende:
https://www.worteimdunkel.at/?page_id=1343
Das Stück Krupp Schiene so hoch oben und dann noch aufrecht, das ist ja mal was.
Haben mir erlaubt das Foto zu kopieren, da ich die Seite http://www.walzzeichen.de betreibe und die Darstellung des Walzzeichens K8C als Profil Angabe wegen des C noch Rätsel aufgibt. Die Profilbezeichnungen an sich sind Nebenereignis, aber es gibt Sammler, die ich über meine Seite kennenlerne, eine solide Datei führen und sich vielleicht interessieren. Beim nächsten Besuch im Bergwerk bitte wegen der Walzzeichen unter Wasser bitte Tauchausrüstung mitnehmen! Habe allerhöchstes Interesse!
Danke im Voraus!
Danke! Ich werde sehen, was sich machen lässt. 😉